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Selbsttest, wie Sie mit Ihrer Sucht alte Probleme lösen wollen

Letzte Woche hatte ich ja schon darüber geschrieben, wieso man süchtig wird. Heute einmal einige gute Fragen, mit denen Sie sehr viel mehr über IHRE Sucht und IHRE Gründe herausfinden können. Meist helfen Einsichten, um entscheidende Schritte raus aus der Sucht zu machen.

Und Sie wissen ja: bei einer guten Therapie ist es nicht immer der Therapeut, der Ihnen sagt, was Sie zu tun haben. Sondern der Therapeut stellt Ihnen die richtigen Fragen, mit denen Sie selber erkennen, was bei Ihnen schief gelaufen ist und was Sie ändern müssen. Also versuche ich das heute einmal. Hier also jetzt die Fragen und kleinen Aufgaben, die ich dem kompletten Lavario-Programm Selbsthilfe gegen Sucht entnommen habe.

Heute, da Sie diese Zeilen lesen, ist nicht das erste Mal, dass Sie einen Versuch unternehmen, gegen Ihre Sucht vorzugehen. Wahrscheinlich liegen schon unzählige Versuche hinter Ihnen, in denen Sie alleine gekämpft haben – und jedes Mal früher oder später gescheitert sind.

1) Schreiben Sie einmal alle Versuche auf, die Sie unternommen haben, um Ihrer Sucht zu entkommen – gehen Sie dabei so weit zurück, wie Sie sich erinnern. Notieren Sie sich auch, was Sie jeweils unternommen haben, um den Kampf zu gewinnen, d. h. an welche Strohhalme haben Sie sich geklammert?

2) Wie sind diese Versuche gescheitert? Was war der Auslöser? Wie hatten Sie sich dann gefühlt, als Ihr Versuch gescheitert war? Was waren Ihre Reaktionen auf diese Gefühle?

3) Haben Sie bei Ihren Versuchen vor allem probiert, die Symptome – also Ihr Suchtverhalten – zu unterdrücken, oder sind Sie auch an die Erforschung gegangen, warum Sie süchtig sind? Haben Sie versucht, Ihre tieferliegenden Probleme zu lösen und echte Alternativen für Ihr Leben zu entwickeln? Sind Sie gegen sich vorgegangen, oder haben Sie versucht, behutsam mit sich zu arbeiten?

4) Eine wichtige Erkenntnis, die viele an dieser Stelle gewinnen, ist, dass man mit Härte gegen sich selber nicht weiterkommt, sondern nur mit Verständnis und Unterstützung für sich selbst. Können Sie diese Einschätzung teilen? Wenn ja, was heißt das für Sie ab sofort? Was werden Sie an Ihren Einstellungen sich selbst gegenüber ändern? Inwieweit werden Sie sich anders verhalten?

5) Glauben Sie, dass Sie jemals eine Chance hatten, ohne fremde Hilfe aus Ihrer Sucht herauszukommen? Haben Sie tapfer gekämpft, mit vielen guten Vorsätzen, aber letztendlich aussichtslos? Hätten Sie selbst mit noch größerer Willenskraft dauerhaften Erfolg gehabt?

6) Was halten Sie von unserer These, dass all diese Kämpfe notwendig waren, um zum heutigen Punkt zu kommen, wo Sie fremde Hilfe in Anspruch nehmen? Hätten Sie oder jemand anderes in Ihrer Situation sich sofort – also vor Jahren schon – fremde Hilfe geholt?

7) Sie haben schon so oft versucht, von Ihrer Sucht loszukommen – und haben auch bis heute nicht aufgegeben. Was sagt das Positives über Ihren Charakter aus?

8) Nach all dem, was Sie jetzt aufgeschrieben haben: haben Sie das Recht, sich als Verlierer oder Schwächling zu fühlen? Ist es nicht unlogisch, sich schwach oder gar schlecht zu fühlen, wenn man immer wieder aufsteht und es neu probiert? Gibt es nicht vielmehr eine unglaubliche positive Energie in Ihnen, die nach Freiheit strebt? Eine starke lebensbejahende Energie, die Ihnen große neue Möglichkeiten für die Zukunft bietet, wenn sie durch die richtige Hilfe von außen unterstützt wird? Gibt es nicht auch viele Menschen, die unter traurigen und unbefriedigenden Umständen leben, aber im Gegensatz zu Ihnen absolut nichts dagegen tun wollen und den ganzen Tag auf der Couch sitzen? Schreiben Sie einmal mindestens fünf positive Dinge in Bezug auf sich und Ihre Sucht auf!

Gehen Sie der Frage auf den Grund, warum Sie Alkohol, Sex, Zocken, Essen oder was auch immer als Droge eingesetzt haben.

9) Erinnern Sie sich an Ihre ersten Erfahrungen mit der Droge. Wann genau und was genau war das? Wie hat sich das angefühlt? Können Sie sich noch daran erinnern, was Sie damals gedacht haben?

10) Welches waren die nächsten Erfahrungen mit Ihrer Droge Alkohol, Sex, Zocken, Essen oder was auch immer auf Sie zutrifft? Wie ging es bis ins Erwachsenenalter hinein weiter?

11) Wann haben Sie zum ersten Mal gedacht, dass Ihr Verhalten nicht normal ist? Wann kam in Ihnen der Verdacht auf, dass Spielen, Trinken, Essen oder Masturbieren zu einer Sucht wird? Warum haben Sie das gedacht, d.h. was hatte sich im Vergleich zu vorher verändert? Und begann – im Nachhinein betrachtet – die Sucht vielleicht schon früher, auch wenn Sie es erst zu einem späteren Zeitpunkt gemerkt haben?

12) Erinnern Sie sich bitte an die Zeit, die Sie gerade aufgeschrieben haben. Als Sie dachten, dass es zu einer Sucht wird – wozu haben Sie damals Ihre Droge eingesetzt? Fühlten Sie vielleicht Spannungen in Ihnen, die Sie anders nicht zu beruhigen wussten? Hatten Sie vielleicht Minderwertigkeitsgefühle, die Sie kompensieren wollten, indem Sie ständig spielten, tranken, masturbierten oder aßen und sich dabei toll fühlten? Welche Probleme in Ihrem Leben wollten Sie vielleicht durch Ihr Verhalten betäuben? Denken Sie insbesondere an Eltern, Geschwister, Schule / Uni / Ausbildung, Freizeit, Beruf. Jeder Mensch tut, das was er tut, immer zu einem bestimmten Zweck – so sind wir nun einmal – d.h. also: zu welchem Zweck hatten Sie damals Ihre Droge eingesetzt?

13) Beantworten Sie Frage 4 noch einmal – diesmal versetzen Sie sich aber bitte, so gut Sie das schaffen, in die Lage und die Lebenssituation des Kindes / Jugendlichen / jungen Mannes / Frau, der/die Sie damals waren und vermeiden bitte, mit Ihrem heutigen Erfahrungsschatz und Ihrer heutigen Reife auf damals zu schauen. Welche Sorgen und Ängste hatten Sie damals? Welche Begrenzungen gab es damals in Ihrem Leben? Warum hatten Sie Sex, Spielen, Trinken, Essen oder was auch immer als Droge eingesetzt? Welche positiven Effekte hatte das (hätte es keine positiven Auswirkungen gehabt, hätten Sie es ja nicht immer wieder getan)? Hätte es damals (aus damaliger Sicht!) Alternativen gegeben, wie Sie die gleichen positiven Effekte hätten bekommen können?

14) Wenn Sie heute eine Zeitreise unternehmen könnten in die damalige Zeit, und wenn Sie Ihre heutige Lebenserfahrung mitnehmen könnten, was würden Sie dann dem damaligen Jungen / Mädchen / Jugendlichen / jungen Mann/Frau, der/die Sie waren (nennen wir es zur Vereinfachung „inneres Kind“), raten, anders zu machen? Hätte es aus heutiger Sicht, also mit all dem, was Sie seit damals bis heute gelernt haben, eine bessere Lösung für die damaligen Probleme gegeben als Ihre Droge?

15) Hatte Ihr inneres Kind (oder Jugendlicher oder junger Erwachsene(r)) damals böswillig gehandelt? Wenn nicht, können Sie Verständnis und Mitgefühl aufbringen für dieses innere Kind in Ihnen? War es schuld an dem, was im weiteren Suchtverlauf alles passierte, oder gab es gute Gründe, warum die Dinge so geschehen sind, wie sie geschehen sind?

Machen Sie sich bewusst, dass Sie nicht nur der Mensch sind, der Sie heute sind. All das, was Sie damals waren, bestimmt immer noch sehr stark mit, was Sie heute denken, fühlen und tun. Anders formuliert: all das, was Sie damals waren, sind Sie immer noch! Erst wenn Sie sich für Ihre Fehlern von damals – die aus heutiger Sicht vielleicht gar keine Fehler waren – verzeihen können, schaffen Sie eine der Voraussetzungen, um mit sich Frieden zu finden und über die Sucht hinwegzukommen. Haben Sie dazu möglicherweise noch zusätzliche Gedanken?

Das waren eine Menge Fragen und kleine Aufgabenstellungen. Gehen Sie das alles einmal in Ruhe durch. Ruhig auch mehrmals, denn je nach Stimmung und Tagesform kommen jedes Mal ganz andere Gedanken. Wie gesagt, Sie können damit die Sucht noch nicht besiegen, aber eine Suchttherapie besteht aus vielen kleinen Bausteinen, und sich mit solchen Fragen auseinanderzusetzen, ist EIN Baustein.

Wenn Sie Fragen, Anregungen oder Tipps haben, schreiben Sie sie doch einfach ins Kommentarfeld hier unten. Und wenn Sie meinen Blog hilfreich finden, teilen Sie ihn auf sozialen Medien oder in Suchtforen, damit auch andere davon erfahren. Das motiviert zum Weiterschreiben!