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Warum Kalorien zählen bei Esssucht nicht sinnvoll ist

Heute mal ein Beitrag speziell zum Thema Fresssucht. Die meisten Fresssüchtigen versuchen natürlich, davon loszukommen, und wenn Sie das hier lesen, gehören Sie wohl auch dazu, denn Sie suchen hier im Internet ja nach Hilfe. Deshalb heute erst einmal die Frage: was sollte man sich denn als Ziel setzen? Ab wann kann man denn von einem Durchbruch sprechen? Klar, Sie sagen jetzt wahrscheinlich: „Wenn ich endlich mit dem Fressen aufhöre.“

Ok, logisch. Aber Sie sollten etwas umdenken. Ein großer Erfolg wird es schon einmal sein, wenn Sie den ständigen Teufelskreis aus Essen, Diät oder Fasten, Essen durchbrechen. Oder noch allgemeiner: wenn Sie nicht mehr den ganzen Tag ans Essen und Fasten denken, wenn sich nicht mehr alles in Ihrem Leben nur ums Essen und allem, was dazu gehört dreht (z.B. „ich muss jetzt eine Stunde Sport machen, damit ich nicht noch dicker werde“). Statt sich nur aufs NICHT MEHR ESSEN und Kalorien zählen zu konzentrieren, sollten Sie einen Schritt tiefer denken, wenn Sie von der Sucht wegkommen wollen.

Ein großer Erfolg wäre es, wenn Sie statt dessen zu sich selber finden. Wenn Sie so weit sind, dass sich Ihr Selbstwertgefühl so weit entwickelt hat, dass es nicht mehr nur von Ihrem Gewicht abhängig ist. Wenn Sie Hunger- und Völlegefühle bewusst wahrnehmen – was viele von Ihnen im Moment nicht tun!

Wenn Sie in schwierigen Momenten, bei Frust, Wut, Selbsthass, Traurigkeit, Einsamkeit (oder auch in schönen Momenten!) Ihre Gefühle auch einmal ausdrücken können und rauslassen können, statt dann sofort zum Essen zu greifen, um sie wegzuessen. Wenn Sie auch akzeptieren können, dass Sie in schwierigen Situationen mal einen Rückfall in alte Zeiten haben, ohne deswegen direkt ein schlechter Mensch oder ein(e) Versager(in) zu sein.

All das sollten AUCH Ziele von Ihnen sein – denn wenn Sie das schaffen, dann werden Sie auch automatisch weniger (fr)essen.

Somit macht es nur begrenzt Sinn, sich als Ziel xyz viele Kalorien pro Tag vorzunehmen. Das kommt dann von selber, wenn Sie die gerade erwähnten Ziele erreichen. Trotzdem kann man bei einer Therapie gegen Esssucht darauf nicht immer verzichten, denn die Patienten wollen Ziele für zwischendurch.

Man hört oft: ich muss wissen, wo ich stehe, ich will jede Woche messbare Erfolge haben. Ich habe so lange Kalorien gezählt, ich kann damit jetzt nicht einfach so aufhören.

Wenn Sie auch so denken und davon absolut nicht wegkommen, dann sollten Sie einen Mittelweg einschlagen. Grundsätzlich brauchen Sie, wenn Sie von der Fresssucht wegkommen wollen, keine Kalorien zählen. Ihr wichtigstes Ziel sollte nicht die Kalorienreduktion sein, sondern all das andere, was ich eben genannt habe.

Jetzt kommt in diesem Zusammenhang ein ganz wichtiger Punkt: Setzen Sie sich bloss nicht zum Ziel, ab morgen „vernünftig“ zu essen und nur noch 1500 Kalorien oder so zu sich zu nehmen. Machen Sie das BLOSS nicht! Wiederholen Sie jetzt nicht die Fehler, die Sie schon tausendmal in der Vergangenheit gemacht haben. Lassen Sie sich Zeit, Ihr Körper muss sich an die Umstellung gewöhnen.

Und nicht nur Ihr Körper allgemein, sondern vor allem Ihr Gehirn! Lassen Sie es ganz langsam angehen. Wenn Sie also z.B. im Moment meist 5000 Kalorien am Tag zu sich nehmen, dann sollten Sie sich NICHT als Ziel setzen, AB MORGEN nur noch 1500 am Tag zu sich zu nehmen.

Reduzieren Sie lieber auf 4500, und dann eine Woche später auf 4000, dann auf 3500 usw. Bis Sie dann z. B. in 8 Wochen Ihr Ziel erreicht haben. Und das Ziel sollte auch nicht unbedingt bei 1500 liegen, sondern eher bei ca. 2000.

Da viele unter Ihnen aber auch nur manchmal, z.B. ein, zwei oder drei Mal die Woche Fressattacken haben und die anderen Tage der Woche mehr oder weniger vernünftig essen, machen Tagesziele sowieso wenig Sinn. Wir alle haben mal Tage, wo wir mehr essen und andere, wo wir weniger essen. Es macht dann mehr Sinn, sich Wochenziele zu setzen, also z.B. 2000 mal 7 Tage = 14.000 Kalorien pro Woche als Ziel.

Dann hat man die Flexibilität, an manchen Tagen, wenn es z.B. eine Party gibt oder wenn man mit Freunden in eine Pizzeria geht, auch mal 3000 Kalorien am Tag zu sich zu nehmen, und an anderen eben nur 1500.

Nochmal zurück zu dem Punkt von vorher: dass Sie LANGSAM herunterfahren sollen. Das bedeutet dann, dass wenn Sie im Moment z.B. 30.000 Kalorien pro Woche zu sich nehmen, Sie sich als Ziel für die erste Woche z.B. 28.000 setzen sollten – und nicht etwa direkt schon 14.000!!!

Teilen Sie sich die Differenz zwischen dem, was Sie aktuell an Kalorien zu sich nehmen, und Ihrem Ziel von z.B. 14.000, in 8 Schritte auf. Rechnen Sie sich die Differenz aus, also z.B. 30.000 minus 14.000 gleich 16.000. 16.000 dividiert durch 8 Wochen = 2.000. Also müssten Sie jede Woche 2.000 Kalorien zurückfahren. Also in der ersten Woche setzen Sie sich 28.000 als Ziel, in der zweiten Woche 26.000, in der dritten Woche 24.000 usw. bis Sie dann nach 8 Wochen 14.000 schaffen.

ABER WIE GESAGT: Sie müssen das nicht machen! Es ist sogar besser, wenn Sie dieses Zählen und Kalorienzählen NICHT machen. Denn Sie sollen ja nicht mehr den ganzen Tag daran denken. Aber wenn Sie es denn doch unbedingt tun wollen, dann bitte genauso, wie ich es gerade beschrieben habe. Mit Wochenzielen statt Tageszielen, und mit langsamen Schritten.

Haben Ihnen diese Gedanken geholfen? Wenn Sie selber Tipps und Anregungen haben, schreiben Sie sie doch unten ins Kommentarfeld.