Sie haben Glück, dass Sie süchtig wurden

Eine provokante Überschrift, ich weiß. Aber es stimmt ja in gewisser Weise. Natürlich hat Ihnen die Sucht viel Schmerz, Frust und Elend verursacht. Vieles von Ihrem Selbstbewusstsein ist auf der Strecke geblieben.

Aber andererseits gibt es viele Untersuchungen, dass Ex-Süchtige, wie übrigens auch andere von Schicksalsschlägen heimgesuchte Menschen, dauerhaft glücklicher werden als der Durchschnitt der Bevölkerung, wenn sie ihre Sucht überwinden.

“Wer raschen Erfolg hat, muss wenig Persönlichkeit besitzen.”

Jakob Bosshart, Schweizer Schriftsteller

Woher kommt das? Zum einen daher, dass das Gefühl, eine Sucht hinter sich gelassen zu haben, natürlich ein gewisses Maß an Stolz hervorruft. Sie wissen dann, dass Sie etwas geleistet haben.

Reinhard K. Sprenger, Doktor der Philosopie und Bestsellerautor, schrieb einmal: „ Glück ist eine Überwindungsprämie.“ Sein Buch „Die Entscheidung liegt bei Dir“ könnte Sie interessieren. Eine Sucht überwunden zu haben, ist etwas, das Sie das Leben als wertvoller empfinden lässt. Sie haben dann außerdem ein hochgestecktes Ziel erreicht – und wer kann das schon von sich behaupten.

Glück ist nämlich in hohem Masse davon abhängig, dass man selber etwas leistet. Lottogewinner z.B. sind nach einem Jahr oft unglücklicher als vorher, denn Sie haben ja nichts für Ihr „Glück“ geleistet.

Zweitens ist Glück immer relativ. Menschen sind erst dann glücklich, wenn Sie sich im Vergleich zu anderen besser wähnen. (Genauso führt ständiges Vergleichen aber auch zu Unglücklichsein, weil Sie dann nie zufrieden sind, mit dem, was Sie haben und was Sie sind.) In Ihrem Fall ist es der Vergleich zu der Zeit, als Sie von Ihrer Sucht geplagt wurden. Sie tendieren dazu, Dankbarkeit zu empfinden. Dankbarkeit aufs Leben und auf Ihr Schicksal.

Drittens lernen Sie sehr viel mehr über sich selbst, als das der Durchschnittsmensch tut. Sie haben eine große Chance, in Zukunft in Beziehungen glücklicher zu sein und Ihren Partner / Ihre Partnerin glücklicher zu machen als andere das können, denn Sie lernen sich selbst sehr gut kennen, wenn Sie im Rahmen einer Therapie aus einer Sucht herausfinden.

Sie erkennen z. B. kindisches Verhalten, wenn es auftritt, und können dann eingreifen, bevor das Kind die Kontrolle übernimmt und z.B. einen sinnlosen Streit vom Zaun bricht. Sie können als vollkommener Mensch dastehen statt als ein Kind im Körper eines Erwachsenen.

Suchtüberwindung ist also eine Phase des Reifens und des Wachstums – und das in einem Alter, in dem viele andere Menschen einfach stehen bleiben.

“Willst du glücklich sein, dann lerne erst leiden.”

Ivan Turgenjew, russischer Dichter (1818 – 1883)

Viertens zeigt eine Sucht, dass Sie sehr viel Energie in sich haben. Nicht jeder kann süchtig werden, denn es erfordert eine Unmenge an Energie, seine Sucht immer wieder zu befriedigen, gleichzeitig seine Schuld- und Schamgefühle auszuleben und parallel dazu auch noch irgendwie in seinem „normalen“ Leben zu funktionieren.

Ihr Körper toleriert aber dieses hohe Energieniveau. Das wiederum heißt, dass Sie, wenn Sie über Ihre Sucht hinweg sind, ein unglaubliches Potenzial haben, was Sie mit Ihrer Energie tun können.

Wenn Sie sich erst einmal neue Ziele im Leben definiert haben – und das ist oft Teil einer Suchtbehandlung und auch Teil des Lavario-Selbsthilfeprogramms gegen Sucht – haben Sie eine ungleich größere Chance als viele Ihrer nicht-ex-süchtigen Mitmenschen, Ihre Ziele auch zu erreichen.

Und fünftens schließlich zeigt Ihre Sucht ja auch, dass Sie keine Lust auf ein mittelmäßiges, langweiliges Leben haben und sich damit nicht abgeben wollen. In Ihnen steckt ein unbändiger Wille nach Erfüllung, sie möchten so gerne so glücklich sein – denn wenn nicht, hätten Sie diesen Kampf all die Jahre über gar nicht geführt und würden gemütlich und „glücklich“ auf der Couch sitzen und sinnlos Fernsehen gucken wie so viele andere.

Ich wollte Ihnen heute Mut machen. Nutzen Sie die Chance und tun Sie etwas gegen Ihre Sucht, denn die Chancen, danach ein überdurchschnittlich glückliches Leben zu führen, sind sehr gut. Falls Sie Gedanken dazu haben, schreiben Sie mir, gerne auch ins Kommentarfeld hier unten. Ich würde mich auch freuen, wenn Sie den Blog weiterempfehlen, verlinken oder teilen – dann macht das Schreiben beim nächsten Mal noch mehr Spaß.