Schwierige Kindheit und Sucht – Teil 2
Im letzten Blogbeitrag hatte ich schon darüber geschrieben, wie wichtig es für Sie als süchtigen Menschen ist, sich noch einmal auf eine gedankliche Reise in die Kindheit zu begeben. Auch wenn man das auf den ersten Blick gar nicht will. Ich hatte begonnen, über eine Übung zu schreiben, die man bei Suchtdruck anwenden kann, um zu verhindern, dass man wieder zu seiner Droge Alkohol, Porno, Essen, Spielen oder was auch immer greift.
Mit dieser Übung, also der Gedankenreise zurück zu schwierigen Momenten der Kindheit, und das Kind von damals gedanklich in den Arm nehmen, werden sehr tiefliegende Gefühle angesprochen, die viel stärker sind als die Gier, die Sie empfinden, wenn der Suchtdruck kommt. Eine der Ursachen für Sucht ist auch die fehlende Selbstliebe, oft sogar Selbsthass, der tief in Ihnen schlummert.
Aber das kleine Kind zu lieben, das Sie damals waren, fällt Ihnen meist einfacher als sich selbst zu lieben. Sie selbst, das ist für Sie aktuell vielleicht nur der suchtkranke Mensch. Den kann man doch nicht lieben, der macht doch alles falsch, der hat doch nur seine Gier.
Aber ein kleines Kind, das muss man doch mögen, das ist doch so unschuldig. Genau! Unschuldig. Und das waren SIE! Sie nehmen sich selbst in den Arm, und das ist ein Riesenschritt. Sich mit sich selbst anzufreunden. Auch wenn es nur ein Teil von Ihnen ist, der Teil, der Sie mal waren, damals, weit vor Ihrer Sucht. Und Sie spenden dem kleinen Kind Trost. Sie tun etwas Gutes, wo Sie doch sonst den ganzen Tag nur Ihrer Sucht nachgehen und – wie Sie leider fälschlicherweise oft glauben – nicht so viel wert sind.
Das hört sich jetzt vielleicht etwas theoretisch an, aber probieren Sie es aus. Je besser es Ihnen gelingt, sich in die damalige Zeit und in eine ganz konkrete Situation hineinzuversetzen, umso beeindruckender können die Ergebnisse sein. Übrigens können auch autogenes Training, progressive Muskelentspannung, Autosuggestion und Meditation helfen, sich zu entspannen und solche gedanklichen Reisen zu unternehmen.
Im Lavario-Programm sind auch genau diese Entspannungstechniken mit enthalten. Es gibt dann auch ganz konkrete Beispiele und Texte, wie Sie sich Ihre Heilung vorstellen, wie Sie in Ihre Kindheit zurückreisen und auch, wie Sie mit den Menschen umgehen, die Ihnen weh getan haben im Leben.
„Ja, aber wie soll ich es denn schaffen, mich auf irgendwelche Kindheitserlebnisse zu konzentrieren, wenn ich wieder akuten Suchtdruck habe?“
Gute Frage. Genau. Das ist das schwierigste an dieser Übung. Sehen Sie es mittelfristig. Sie werden mit jedem Mal besser. Am Anfang funktioniert es vielleicht noch nicht so ganz, aber mit jedem Mal gelingt es Ihnen, besser zu entspannen und weiter in Ihre Kindheit zurückzureisen. Ich möchten Ihnen einmal ein paar Tipps geben, wie man diese Übung am besten durchführt.
Erstens bedarf es Vorbereitung. Das heisst, Sie müssen schon in guten Zeiten, also in einer ruhigen Stunde, wenn Sie keinen Suchtdruck haben, z. B. jetzt sofort, sich zwei oder drei Situationen aufschreiben, in die Sie sich dann zurücksetzen wollen, wenn es mal wieder ganz schlimm wird.
Man nennt so etwas auch Teil eines „Notfallkoffers“. Schreiben Sie sich diese Situationen auf ein Blatt Papier, das Sie immer bei sich tragen, z.B. im Portemonnaie. Schreiben Sie sich gegebenenfalls auch schon ein paar Stichworte zu jeder Situation auf, dann fällt es Ihnen leichter, Ihre Gedanken bei Suchtdruck schnell und nachhaltig von Alkohol, Spielsalons, Essen oder Pornos weg zu Ihrem inneren Kind zu bewegen.
Zweitens kann ein Gummiband helfen, welches Sie ständig am Handgelenk tragen. Sie können es in einem Schreibwarengeschäft kaufen oder aus dem Büro mitnehmen. Wenn der Suchtdruck richtig stark wird, dann zögern Sie nicht, auch richtig stark zu zupfen und sich damit einen kurzen Schmerz zuzufügen. Das betäubt kurz, gibt Ihnen die Chance, Ihre Gedanken neu zu ordnen, und dann kommt das vorher beschriebene Blatt Papier zum Einsatz.
Und drittens können Sie Ihre Gedankenreise auch noch erleichtern, indem Sie etwas dabei haben, dass Sie an die Kindheit erinnert.
Das kann z.B. ein Werther’s Echte – Bonbon sein, das Sie für solche Notfälle ständig dabei haben und das Sie vielleicht damals ganz besonders gern gelutscht haben, oder ein Photo aus der damaligen Zeit (mit einer positiven Erinnerung versehen!) oder eine Briefmarke, die Sie ständig im Portemonnaie mit sich führen, falls Sie als Kind Briefmarken gesammelt haben, oder oder oder.
Ihr inneres Kind lieben. Eine nicht ganz einfache Übung. Aber wahrscheinlich auch die, für die Sie sich besonders viel Mühe machen sollten und die Sie besonders intensiv vorbereiten sollten. Denn die Belohnung kann wunderschön sein. Oftmals sind Sie als Süchtige(r) nur auf der Suche nach Liebe, und der Suchtdruck kommt besonders dann, wenn die innere Leere mal wieder kaum auszuhalten ist oder wenn Sie sich mal wieder bewusst oder unbewusst besonders ungeliebt oder zurückgestossen fühlen. Dazu zählt übrigens auch Stress!
Wenn Sie es also dann schaffen, Ihrem inneren Kind diese Liebe zu geben, die Sie eigentlich suchen, dann kann das eine unglaublich kraftvolle Art sein, den Suchtdruck erst einmal zu verdrängen.
Schreiben Sie unten ins Kommentarfeld, wenn Sie Gedanken dazu haben oder noch andere Tipps haben, wie man mit Suchtdruck umgehen kann. Teilen Sie den Blog, falls Sie ihn nützlich finden, danke.