Gebt eure Rachegedanken auf
Sucht ist selbstschädigendes Verhalten, das wisst ihr vielleicht. Warum aber will man sich selbst schädigen?
Oft liegt es daran, dass man sich an Menschen rächen möchte, die einem weh getan haben. „Guck, wie schlecht es mir jetzt geht. Wenn du mich nicht so und so behandelt hättest / mich nicht verlassen hättest / … , wäre das nicht passiert.“
Oft ist man sich dessen gar nicht bewusst. Dass man sich an jemandem rächen will. Man hat vielleicht schon vor langer Zeit angefangen, aus Protest zu saufen, sich mit Essen vollzustopfen, zu zocken oder sich aufs Zimmer zu verziehen, nach dem Motto: Dann guck ich jetzt eben Pornos.
Und über die Jahre hinweg hat sich das so stark verfestigt, dass man sich an die eigentlichen, ursprünglichen Motive gar nicht mehr erinnert. Macht euch bewusst, dass ihr einer Person, an der ihr euch rächen wollt, immer noch sehr viel Macht über euer heutiges Leben gebt, und fragt euch, ob die Person das wert ist.
Wenn ihr wieder anfangt zu trinken, zu fressen, zu zocken, zu shoppen oder was auch immer eure Droge ist, dann überlegt euch, ob ihr dieser Person jetzt wirklich so viel Macht geben wollt. Ob ihr das erlauben wollt. Das können auch PersonEN sein, z. B. die meisten eurer damaligen Schul“freundINnen“, die euch damals vielleicht gemobbt haben.
Vielleicht seid ihr aber auch gar nicht deshalb süchtig geworden, weil ihr euch an ANDEREN rächen wollt, sondern an euch SELBST.
Rache an sich selbst kommt von zu unrecht gefühlten Schuldgefühlen und von völlig überzogenen Ansprüchen an sich selbst. Zum Beispiel fühlt man sich schuldig an seiner Sucht und wird dann NOCH süchtiger. Oder man fühlt sich schuldig an traumatischen Erlebnissen in der Kindheit oder Jugend. Oder an wichtigen Trennungsgeschichten im Leben. Darüber muss ich unbedingt mal einen eigenen Blogbeitrag schreiben.
Genauso wie über Ansprüche an sich selbst, die oft viel zu überzogen sind. Man nimmt sich viel zu ernst. Man erwartet zu viel von sich selbst. Das ist oft ein Grund von Suchtverhalten, oder zumindest etwas, was eine Sucht begünstigt, wenn noch andere Dinge dazukommen. Dazu muss ich auch einmal einen eigenen Text schreiben.
Aber heute soll es erst einmal um Rache und um Vergebung gehen. Sucht, weil man sich an jemandem oder an sich selber rächen will.
EIN AMERIKANISCHES SPRICHWORT SAGT: „WER RACHE SUCHT, SOLLTE AM BESTEN GLEICH ZWEI GRÄBER GRABEN.“
Vergebung, das ist natürlich ein Thema so alt wie die Menschheitsgeschichte. Aber in den letzten Jahren hat es dazu viele neue Forschungen gegeben. Auslöser war gewissermassen die „Kampagne für Vergebungsforschung“ von Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu und Jimmy Carter (ehemaliger US-Präsident).
Herausgefunden wurde, dass die Kunst des Vergeben nicht nur positive Auswirkungen auf die psychische Gesundheit hat, sondern auch auf das körperliche Wohlbefinden. Es konnte nachgewiesen werden, dass Rücken- und Kopfschmerzen nachliessen, Blutdruckwerte verbessert wurden, überschüssiges Körperfett abgebaut wurde und vieles mehr.
Nicht vergeben heisst nämlich, das wurde nachgewiesen, dass sich die kontinuierlichen Rachegedanken im Körper festsetzen und sich in die Organe hineinfressen. Wir schütten im Gehirn ständig Giftstoffe aus, die sich dann im Körper verteilen. Nicht vergeben ist wie Gift trinken und warten, dass der andere stirbt.
Mehrere Strömungen sind wichtig zu erwähnen. Erstens die Erkenntnis, dass sich Vergebung nicht auf die Vergangenheit bezieht, sondern auf die Gegenwart. Solange wir grollen, uns als Opfer fühlen und anderen oder uns selbst die Schuld geben, hoffen wir unterbewusst, die Vergangenheit ändern zu können.
Wir erleben das Geschehene immer wieder neu, gehen es immer wieder gedanklich (bewusst oder unbewusst) durch und hoffen auf ein anderes Ergebnis. Dies wird aber nie passieren. Statt dessen müssen wir uns bewusst machen, dass Vergeben die Gegenwart ändert. Vergeben heisst loslassen, ich entscheide mich dafür, dass ich ab jetzt kein Opfer mehr bin, dass ich ab jetzt Handlungsalternativen habe.
Dies führt zur zweiten Erkenntnis, nämlich der, dass Vergebung etwas ist, das wir für uns selbst tun müssen und nicht etwa für andere.
Wir reinigen durch die Vergebung unsere Seele und unseren Körper von all den Giftstoffen, die wir all die Jahre hindurch produziert und gespeichert haben. Wir lassen all die negative Energie entweichen, die uns in unserer Sucht festgehalten hat.
Vergeben lässt unser Selbstbewusstsein wachsen, denn im gleichen Mass, in dem das Gift aus unserem Körper entweicht, fließen neue, positive Gedanken durch unsere Seele. Verstehen Sie Vergeben vielmehr als Loslassen, denn im klassischen Sinne gehört zum Vergeben ja auch ein Schuldeingeständnis und Reue des Gegenübers. Wenn es die nicht gibt, könnten Sie ja sonst nie vergeben.
Drittens schließlich muss aufgeräumt werden mit dem Irrglauben, dass Vergeben auch bedeutet, dass daraus neue Freundschaft erwächst. Vielen Menschen fällt Verzeihen einfacher, wenn sie wissen, dass sie danach keinen Kontakt haben müssen mit dem Menschen, der ihnen weh getan hat.
Verzeihen heisst also nicht unbedingt physisches Wiedersehen. Es ist vielmehr die Entscheidung für sich selbst, dass man jetzt loslassen darf und wieder vorangehen kann, dass man sich endgültig entfernen darf von dem Bösen, das geschehen ist, statt endlos daran festzuhalten.
Führen Sie sich in diesem Zusammenhang auch einmal vor Augen, dass Verzeihen eigentlich die beste Rache ist.
Zum Verzeihen gehört viertens auch, anzuerkennen, dass jeder Mensch anders ist. Die Eltern, die den Jungen immer wieder schlagen oder ihn emotional vernachlässigen, tun evtl. auf ihre Art und Weise trotzdem immer noch das bestmögliche für ihr Kind.
Sie haben es wahrscheinlich nicht anders gelernt und wissen es nicht besser. Das Kind trifft sicherlich keine Schuld, auch wenn sich trotzdem Scham- und Schuldgefühle im Kind festsetzen. Aber an dieser Stelle sei die provokante Frage erlaubt, ob die Eltern denn Schuld trifft.
Und trifft Sie als Süchtige(r) denn Schuld, wenn Sie Ihren eigenen Körper jahrelang missbrauchen? Sie wussten oder konnten es doch nicht besser.
Ein chinesisches Sprichwort besagt: „Solange du dem anderen sein Anderssein nicht verzeihen kannst, bist du weitab vom Wege der Weisheit.“
Akzeptieren Sie also, dass jeder anders ist, und wenn Sie religiös sind, dann erinnern Sie sich daran, dass Gott die Menschen in ihrer ganzen Vielfalt erschaffen hat. Für Sie selbst heisst das aber auch:
Kommen Sie runter von Ihren möglicherweise überzogenen Ansprüchen an sich selbst. Akzeptieren Sie, dass Sie anders sein dürfen als andere, auch anders als Ihr Idealbild von sich selbst. Und akzeptieren Sie, dass Sie nicht weniger wert sind als andere Menschen, nur weil Sie eine Sucht haben.
Manche Religionen oder sprirituelle Strömungen gehen sogar so weit, zu sagen, dass wir alle unschuldig sind und erst durch diese Einstellung absolutes Glück und Weisheit gefunden werden kann. Ob Ihnen dies in Ihrer konkreten Situation hilft, sei einmal dahingestellt.
Jetzt einmal eine praktische Übung. Nehmt euch einmal ein bisschen Zeit und macht euch Gedanken zu folgenden Fragen. Das kann euch gegen eure Sucht helfen.
„Vergeben bezieht sich nicht auf die Vergangenheit, sondern auf die Gegenwart“. Was bedeutet dies, und was macht ihr daraus ab jetzt in eurem Leben?
Außerdem habe ich geschrieben: „Vergebung ist etwas, das wir nicht für andere tun, sondern für uns“. Was bedeutet dies, und was macht ihr daraus in eurem Leben?
Außerdem: „Zum Verzeihen gehört auch, dass jeder Mensch anders ist.“ Auch hier wieder die Frage: Was bedeutet dies, und was macht ihr daraus in eurem Leben?
Ok, ich wollte heute über EINEN der vielen Gründe von Sucht schreiben. Keinen schnellen Tipp, wie man lernt NEIN zu sagen, so wie in manchen der anderen Blogbeiträge von mir. Sondern einmal einen wichtigen Gedankenanstoß, euer Leben wieder mehr in die Hand zu nehmen. Verantwortung zu übernehmen. Loszulassen.
Das mit der Rache – an anderen oder an sich selbst – trifft natürlich nicht auf alle Süchtigen zu. Vielleicht auf DICH gerade nicht. Aber gib dem Gedanken eine Chance, denn auf SEHR VIELE suchtkranke Menschen trifft es sehr stark zu. Und mit jeder kleinen Erkenntnis, mit jeder kleinen Veränderung in dir kommst du wieder einen kleinen Schritt von der Sucht weg.
Wenn du Gedanken dazu oder zum Blog allgemein hast oder anderen einen Tipp geben möchtest, dann schreibe es doch einfach ins Kommentarfeld unten hinein. Und falls du den Beitrag nützlich fandst, würde ich mich über ein TEILEN freuen. Das motiviert zum Weiterschreiben ;)