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Das Innere Kind bei Alkoholproblemen

Im heutigen Blogbeitrag einmal eine Email, die uns ein Kunde mit Alkoholproblemen geschickt hat. Er hat das Programm mit persönlicher Betreuung gewählt und kann deswegen immer direkt an den Therapeuten schreiben. Es geht in dieser Mail darum, wie man seine Kindheits- und Jugenderlebnisse am besten aufarbeitet und was dabei alles hochkommt. Im Anschluss dann die Antwort eines unserer Therapeuten.

Hallo

Erstmals vielen Dank, für die erste Antwort letzte Woche, das hat mein Wissen erweitert.

Die 2. Frage bezieht sich um verdrängen / vergessen und Ursachen beim hervorholen.

Ich mag mich gut erinnern, wie ich als Jugendlicher (17 +) oft gesagt habe, ich bin ein Meister der Verdrängung, und war “stolz” darauf, nun stellt sich heraus, dass die anderen eher recht hatten und dass dies eher schlecht ist, hatte natürlich sicher meine Gründe Sachen zu verdrängen.

So zum Punkt, Ich weiss von meiner Kindheit praktisch nichts mehr, nur verstückelt, ab der Sek. (Oberstufe), weiss ich wieder mehr.
Ich habe dies mal gegooglet “Erinnerungen von früher zurück holen; vergangeheit vergessen etc.” Ich habe viele neutrale Personen in den Chats gelesen und sehr viele sagen, sie haben dies auch, können sich nicht zurück erinnern, wie sie dies anstellen sollen und ob es professionelle Hilfe dazu benötigt, ca 95 Prozent antworteten mit aufpassen, nur mit den Therapeuten durchführen, denn es ist gefährlich, der Schutzmechanismus, hat nicht aus ungefähr diese “Zeit” verdrängt. Viele von den Leuten haben auch geschrieben, dass der Arzt oder jemand vermutet hat, dass da unter Umständen auch Missbrauch im Spiel war und die Zeit auch deswegen vergessen gegangen ist.
Jetzt ist es bei mir so, ich gehe schwer davon aus (oder weiss eigentlich), dass ich nicht Missbraucht wurde (nicht körperlich, vielleicht seelisch), ich lebte von 1-7 in Australien (2 Umgebungen), dann ein Monat im Tessin in der Schweiz, dann ein paar Jahre in Zürich und schließlich in einem Dorf nebenan. Meine Theorie sieht halt so aus, in Australien war alles wunderbar (Vermutung) und dann kam die “Hölle” (Vermutung), mobbing, viel geweint, (war nicht fähig, diese Konflikte selbst zu lösen) ich mag mich an eine Situation erinnern, wo mich die Lehrerin im Tessin (war da kurz in der Schule) an den Haaren gezupft hat. Es kommen durch das Programm auch Bilder von Zürich, die auch unangenehm sind, auch oder vorallem Gefühlstechnisch.
Ich habe nun mehr Fotos bestellt von früher, auch Umgebungen in Australien etc. um mich noch mehr in Situationen hineinsteigern zu können. Kann sich dies auch je nach dem als schlecht entwickeln, wenn die Bilder zurück kommen, denn von der Züricher Zeit, sind mir einige Sachen wieder hoch gekommen (längst nicht alles), diese aber bereits ein komisches Gefühl in mir wecken. Ich kann mich auch an ein angst Gefühl erinnern, dass ich früher immer wieder hatte und dann irgend wann verschwand dieses Gefühl mit dem Alter (eben Meister des Verdrängens halt)

Mir ist bewusst; dass sie nicht direkt auf mich bezogen Antworten können; die frage lautet daher; im allgemeinen kann es sich als gefaehrlich entwickeln; altes hervorzuholen?

Vielen Dank XXX

 

Hallo XXX,

es ist IMMER besser, wenn man traumatische Erlebnisse zusammen mit einem Therapeuten in der Praxis behandelt. Wenn Sie die Zeit, den Mut und das Geld haben und wenn Sie einen gut ausgebildeten Therapeuten in Ihrer Gegend haben, dann sollten Sie das auch tun. Das Lavario-Programm kann niemals die gleiche Intensität haben. Aber es ist eben entwickelt für Menschen, die entweder nicht die Zeit haben, regelmässig zu einer Praxis oder gar in eine stationäre Therapie zu gehen, oder die nicht den Mut finden, sich jemand Fremden komplett zu öffnen, oder keine Krankenkasse haben, welche solch eine Behandlung bezahlt, oder auch zu weit entfernt von einem Spezialisten wohnen. Außerdem kann man mit dem Lavario-Programm auch sofort starten und hat keine zum Teil monatelangen Wartezeiten. Bei schweren traumatischen Erlebnissen würden wir aber auf jeden Fall dazu raten, sich schon jetzt um eine persönliche Beratung bei Ihnen vor Ort zu bemühen, die dann irgendwann nach Beendigung des Lavario-Programms einsetzen kann (wegen der Wartezeiten) – bis dahin haben Sie dann schon sehr viel gelernt, müssen nicht bei Null anfangen (somit wird es günstiger, falls Sie Selbstzahler sind). Sie können mit dem Lavario-Programm wirklich große Fortschritte machen, aber wenn Sie tiefsitzende schwere Belastungen haben, werden Sie die ganz ohne persönliche Gespräche nicht komplett freisetzen können.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob Sie überhaupt solch tiefsitzende Belastungen haben. Wenn Sie sich sicher sind, dass Sie nicht im Kleinkindesalter missbraucht wurden, so ist die Wahrscheinlichkeit schon einmal geringer, dass Sie so tief traumatisierende Erlebnisse hatten, dass Sie sie nicht hervorholen könnten. Die Wahrscheinlichkeit ist dann auch geringer, dass Sie damit nicht umgehen könnten, wenn Sie langsam wieder an die Oberfläche treten. Das Lavario-Programm ist ja in viele einzelne Schritte unterteilt. Es ist ein bisschen wie mit einer Zwiebel. Sie schälen sie Schicht für Schicht. Sie kommen ja nur ganz langsam immer tiefer in Ihre Persönlichkeit, in Ihr Unterbewusstsein, in Ihre Vergangenheit. Es wird höchstwahrscheinlich keine Explosion geben, wo was auch immer in Ihnen an Verdrängtem schlummert, mit einem Mal alles auf einmal nach oben kommt. Wie Sie ja schon schreiben, kommen jetzt ab und zu Bilder an die Oberfläche. Verschwommen, undeutlich. Vielleicht werden sie in den nächsten Wochen schärfer, vielleicht auch nicht. Bestimmt kommen jedenfalls noch mehr Bilder hoch. Gleichzeitig lernen Sie aber auch im Programm, wie sie mit ihnen umgehen müssen. D.h. Sie lernen Sie einzuordnen.

Wichtig ist auch, zu akzeptieren, dass Sie nicht alle Erlebnisse von damals nach oben holen können. Es werden immer noch Erlebnisse bleiben, die aus dem Unterbewussten wirken. Sie haben aber HEUTE die Macht, sich zu sagen: Ok, ich will jetzt wieder diesen und jenen Blödsinn (Saufen) veranstalten, und ich weiss, dass es da irgendetwas in meiner Vergangenheit gibt, was ich nicht verarbeitet habe und deswegen kommt jetzt wieder dieses Verlangen nach Alkohol. Ich weiss zwar nicht genau was das damals war, aber ich weiss, dass das kein Grund ist, jetzt meiner Sucht wieder nachzugeben.

Es ist fast immer besser, wenn man die alten Dinge so weit wie möglich nach oben holt und dann komplett verarbeitet, aber selbst wenn man das nicht schafft, macht es einen großen Unterschied, zu WISSEN, dass es da irgendetwas gibt, als gar nicht zu begreifen, warum man jetzt wieder das Verlangen hat. Man muss sich dann nicht mehr so stark als schlechter Mensch ohne Willensstärke definieren – sondern als jemand mit einer Vergangenheit, jemand, der nicht unbedingt Schuld ist an diesem ständigen Suchtdruck. Selbst, wenn man nicht alles hervorholen kann, kann man so doch wieder nach und nach die Kontrolle zurückgewinnen. In Woche 5 gibt es dazu einiges im Programm unter der Rubrik “Traumata”.

Nichtsdestotrotz sollten Sie sich ruhig bemühen, mit viel Geduld und schrittweise (Stichwort Zwiebel) Bilder hervorzuholen. Sie haben einen Schutzmechanismus in sich. Je schlimmer die Erlebnisse von damals waren, desto dicker der Schutzwall um sie herum. Und je weniger werden Sie diese Erlebnisse dann ganz alleine hervorholen können, ohne einen Therapeuten, der neben Ihnen sitzt und in der jeweiligen Situation weiss, welche Schalter jetzt umzulegen sind. Insofern ist die Gefahr gering, dass Sie irgendetwas hervorholen, dass Sie nicht mehr kontrollieren können. Und all das, WAS Sie hervorholen, ist dann auch dazu bestimmt, dass es an die Oberfläche kommt und Ihnen dann nicht mehr aus dem Unterbewusstsein das Leben schwer macht. Lassen Sie Gefühle von Angst (welches ja Gefühle DAMALS waren) ruhig zu. Machen Sie die Übungen, wie im Programm beschrieben, d.h. stellen Sie sich als heutiger, erwachsener Mensch an die Seite des Kindes, das Sie damals waren und helfen Sie ihm, nehmen Sie ihm die Angst und erklären Sie ihm, dass es nicht Schuld war und sich nicht schämen muss. Wenn die Lehrerin z.B. schlägt oder an den Haaren zupft, hat sie ihr Amt missbraucht. Wenn die anderen Kinder dann alle lachen, ist das typisch für Kinder in dem Alter, die gerne Schwächere suchen und oft grausam sind. Spielen Sie in Ihren Gedankenspielen Situationen durch, wie das Kind, das Sie damals waren, souverän auftritt und die anderen zurechtweist oder zum Schuldirektor geht und sich beschwert. Und erlauben Sie Emotionen, versuchen Sie, so weit Sie das schaffen, mit dem Kind von damals mitzufühlen. Erst die damaligen Gefühle noch einmal mitfühlen und dann mit den Erfahrungen, die Sie heute als Erwachsener haben, das Kind an die Hand nehmen und alternative Situationen mit besserem Ausgang und anderen Emotionen herbeiführen. So “knacken” Sie tiefsitzende Gefühlsknoten. Und verzweifeln Sie nicht, wenn das nicht sofort funktioniert. Bleiben Sie immer geduldig und erlauben Sie sich, sich immer mehr heranzutasten. Am Anfang wirken solche Übungen oft blödsinnig und im wahrsten Sinne “kindisch”, nach einiger Zeit legt sich das dann aber.

Schon jetzt frohe Festtage und hoffentlich hat diese Antwort Ihnen geholfen.

Mit freundlichen Grüssen
Ihr Lavario-Team