Spielsucht Selbsthilfe: Einen Gang zurückschalten
Spielsucht-Selbsthilfe: Im sogenannten Hilfe-bei-Sucht-Programm („Lavario” aus dem Lateinischen für „wieder in den Fluss kommen”) haben ehemalige selber Süchtige in Zusammenarbeit mit Suchttherapeuten ein wirksames Programm zur Suchtbekämpfung für zuhause erstellt, anonym, zum Runterladen aus dem Internet. Spielsucht-Selbsthilfe eben.
Hunderte von Tipps, Hintergründe, Beispiele, wie man von seiner Sucht wieder wegkommt. Spielsucht-Selbsthilfe ist nicht einfach, aber im Hilfe-bei-Sucht-Programm gut strukturiert und spannend geschrieben, sofort zuhause umsetzbar.
Hier ein kleiner Auszug aus dem Programm, ein Sofort-Tipp, der dort „einen Gang zurückschalten” heißt:
Anstatt Spielsucht-Selbsthilfe könntest Du auch in eine Suchtklinik gehen, müsstest dort aber sofort abstinent leben, d.h. Null Zocken. Das gleiche gilt für Programme, die Du im Internet findest, wenn Du ein bisschen surfst, z.B. die Anonymen Spieler mit ihren 12 Schritten. Der Grund, warum die Rückfallquote bei diesen Ansätzen so hoch ist und viele ihre Heilung nicht schaffen, liegt in etwas begründet, das Du aus Deinem Alltagsleben kennst: der Jojo-Effekt.
Versuche einmal, um abzunehmen, völlig auf Bier oder völlig auf Brot und Nudeln oder völlig auf Süßes zu verzichten. Du weißt, dass Du vielleicht kurzfristig Erfolge haben wirst, aber mittelfristig wird es dann umso schlimmer. Der Jojo-Effekt. Du „vergewaltigst” sozusagen Deinen Körper, nimmst ihm, bzw. Deiner Seele (!) etwas „Lebenswichtiges” – so erscheint es nämlich Deinem Unterbewusstsein.
Kurzfristig macht Deine Seele das mit, aber dann irgendwann schlägt sie zurück. Und der Körper hat so ein Programm in sich, dass er sich automatisch vorbereitet auf die nächste Mangelsituation. Das heißt, Dein Körper lernt, dass Situationen entstehen können, in denen es plötzlich kein Fett mehr gibt. Der Körper schaltet dann um und legt sich Fettreserven an, damit er vorbereitet ist auf die nächste Diät. Und so scheitern diese Radikalkuren immer wieder, und letztendlich nimmst Du sogar noch zu.
Genauso ist es bei den herkömmlichen Spielsucht-Therapien. Die Rückfallquote ist enorm, liegt bei 50 – 70%. Die HbS-Methode als Spielsucht-Selbsthilfe geht hier einen komplett anderen Weg. Spielsucht-Selbsthilfe heißt: Du musst lernen, mit Deiner Sucht umzugehen und sie Schritt für Schritt reduzieren. Anstatt sie von heute auf morgen völlig auf Null herunterzufahren.
Schaue Dir andere Süchte an: bei Heroinabhängigen wird oft auch erst einmal Methadon verschrieben, um Schritt für Schritt den Körper von der Droge zu entwöhnen. Auch bei Rauchern gibt es Raucherpflaster mit einer geringeren Dosis Nikotin.
In Deinem Gehirn gibt es etwas, das in der Wissenschaft „Suchtgedächtnis” genannt wird. Damit ist gemeint, dass sich Deine Nervenzellen im Gehirn derart vernetzt haben, dass für ein typisches Problem in Deinem Leben (z.B. Langeweile, Spannung, emotionale Leere, Wunsch nach Zuneigung, Selbsthass…) eine bestimmte Lösung vorhanden ist (z.B. Zocken). Dies ist über viele Jahre hinweg entstanden, zusammengewachsen und fest zementiert. Bist Du in einer bestimmten Situation und kommt ein bestimmter Auslöser, dann erscheint auch sofort die Lösung (Spielen). Dabei berücksichtigt das Gehirn nicht den Unterschied zwischen kurzfristiger Befriedigung und langfristigem Schaden (z.B. sich schämen, den Partner belügen und verlieren, viel Geld verzocken, sich verschulden etc.).
Vielmehr hat das Gehirn den sofortigen Zusammenhang gelernt zwischen Problem und Lösung. Diese Nervenzellen sind aneinander gekettet – so wie auch beim Fahrradfahren oder beim Schwimmen bestimmte Lernprozesse im Gehirn gespeichert werden und NIE wieder vergessen werden.
Ja, Du liest richtig. Du wirst NIE wieder vergessen, wie Dir Spielen geholfen hat, Deine Probleme und Spannungen kurzfristig zu lösen. Deine Aufgabe bei Spielsucht-Selbsthilfe ist jetzt, dem Gehirn nach und nach neue Lösungen anzubieten, um zum gleichen Ergebnis zu kommen. Das Entscheidende ist das „nach und nach”.
Du wirst mit Deiner Spielsucht-Selbsthilfe scheitern, wenn Du versuchst, dem Gehirn sofort alles wegzunehmen, was es bisher gelernt hat. Vielmehr musst Du einerseits die Dosis langsam herunterfahren, damit sich Dein Gehirn langsam umstellen kann – ohne zu rebellieren – und andererseits langsam Alternativen entwickeln. Dies wiederum erfordert eine detaillierte Selbstanalyse.
Für diesen Tipp heißt das nun: Mach Dir doch einmal eine Übersicht aller Aktivitäten rund ums Spielen, denen Du so in den letzten 12 Monaten nachgegangen bist. Und ordne diese danach, wie sehr Du dich dafür schämst. Z.B. könnte jetzt ganz oben auf Deiner Liste stehen, dass Du letzten Monat an einem Abend 3.000 Euro verloren hast und Dich danach umbringen wolltest. An zweiter Stelle steht vielleicht, dass Du oft an drei Automaten parallel spielst und dabei völlig die Kontrolle verlierst und dann oft 500 Euro an einem Tag verlierst. An dritter Stelle …
Die Spielsucht – wie alle anderen Süchte auch – hat die Eigenschaft, dass die Dosis immer mehr gesteigert wird und Dich ein immer stärkeres Schamgefühl quält.
Wahrscheinlich steht ganz oben auf Deiner Liste die Aktivität, die der stärksten Dosis entspricht. Genau da musst Du jetzt ansetzen. Du musst die Dosis langsam wieder herunterfahren. Dies kann weh tun und Spannungen erzeugen, aber niemand sagt, dass Spielsucht-Selbsthilfe leicht ist. Aber es ist, wie gesagt, immer noch leichter und erfolgsversprechender, die Dosis langsam zu reduzieren als einen Jojo-Effekt zu provozieren.
Konkret heißt das für Deine Selbsthilfe gegen Spielsucht: Schau Dir die gerade erstellte Liste einmal an. Überlege Dir für jede dieser Situationen einmal, wie Du in etwa den gleichen Kick hättest bekommen können, aber mit etwas weniger Einsatz. Wenn so eine Situation wieder auftritt, wie kannst Du ein klein wenig die Kontrolle zurückbekommen? Wir werden Dir später im Programm ja genug Strategien an die Hand geben, aber versuche den ersten Schritt einmal selber: wie wirst Du es schaffen, vielleicht einen bestimmten Geldbetrag beiseite zu nehmen und auf keinen Fall einzusetzen in so einer Situation? Wie kannst Du vielleicht ein Zeitlimit setzen, wie lange Du maximal in einer bestimmten Situation spielen wirst? … was auch immer Du Dir vorstellen kannst, um einen ganz kleinen Sieg davontragen zu können.
Wichtig ist, dass Du Dir keine ehrgeizigen Ziele setzt. Ja, Du liest richtig! Keine ehrgeizigen Ziele, sondern nur ganz kleine Verbesserungen, die Du dann aber auch wirklich schaffen kannst. Die Überschrift dieses Sofort-Tipps lautet ja: einen Gang herunterschalten. Mehr nicht. Aber das ist ja schon schwer genug und auf jeden Fall ein Anfang. Du hast dann ein kleines Erfolgserlebnis, denn Du hast die Dosis ein kleines bisschen heruntergefahren und trotzdem Dein Verlangen befriedigt.
Schreibe Dir nun auf:
DIES SIND DEINE SUCHTAKTIVITÄTEN DER LETZTEN 12 MONATE:
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Geordnet danach, wie sehr Du dich dafür schämst und welch negative Konsequenzen diese Aktivitäten haben (können), sieht Deine Liste dann so aus:
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Jedes Mal, wenn Dir die Sehnsucht nach etwas von Deiner Liste kommt, gehst Du Deiner Sucht nach, aber wähle etwas aus, was weiter unten auf der Liste steht. Denn je mehr Du dich nach Deiner Befriedigung schlecht fühlst und dich schämst, umso mehr bereitest Du durch diese negativen Gefühle schon wieder Deinen nächsten Suchtanfall vor. Wenn Du dich aber nicht so schlecht fühlst und dich weniger stark schämst, vielleicht sogar stolz bist, dass Du diesen kleinen Schritt geschafft hast, desto weniger schnell kehrt der Suchtdruck zurück. Und genau das ist ja der Sinn von Spielsucht-Selbsthilfe.
Mach Dir bewusst: eine Sucht zu besiegen, ist ein langer Weg. Sofort das Ziel zu erreichen ist nicht zu schaffen und entmutigt auch sofort. Der Rückfall ist praktisch vorprogrammiert. Wie Du mit Rückfällen umgehst und dich nicht entmutigen lässt, wird übrigens später im Hilfe-bei-Sucht-Programm noch ausführlich und vielseitig erklärt und mit vielen Übungen einstudiert.
Wenn Du aber den Weg zur Suchtfreiheit in ganz ganz viele Schritte unterteilst, dann ist der Weg plötzlich gehbar. Spielsucht-Selbsthilfe heisst hier: den ersten ganz kleinen Schritt, den kannst Du gehen, den kann jeder gehen. Der ist nicht so schwierig. Und dann kommt der nächste, wieder ein ganz kleiner Schritt, den Du schaffst, … und so geht es weiter, und plötzlich bist Du tatsächlich am Ziel.
Wichtig ist bei diesem Spielsucht-Selbsthilfe – Tipp, dass Du dich nicht gegen Deine Sucht stellst, sondern dich innerhalb Deiner Sucht bewegst und die Dosis ein klein wenig reduzierst.
Würdest Du dich gegen Deine Sucht stellen, dann hättest Du sofort starken Widerstand von Deiner Seele und Deinem Gehirn, wie eingangs beschrieben, und ein Erfolgserlebnis wäre schwerer zu erreichen.