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Spielsucht Krankheit: Verstehen Sie Ihre Gehirnchemie

Spielsucht ist eine Krankheit. Wie bei allen Krankheiten passiert etwas in Deinem Körper. Was aber passiert genau im Gehirn? Spielsucht als Krankheit wird im folgenden Artikel in möglichst einfachen Worten erklärt. Er stammt aus dem sogenannten „Hilfe-bei-Sucht”-Programm. Ehemals selbst von Spielsucht – Krankheit Betroffene haben dieses Selbsthilfeprogramm zusammen mit Spielsucht-Therapeuten und Selbsthilfegruppen erstellt. Hier also der Auszug aus dem Programm zu Spielsucht-Krankheit.

Stell Dir mal eine ganz große Familie vor. Mit ganz vielen Brüdern. Jetzt sieht der erste Bruder A plötzlich irgendetwas Interessantes, z.B. er kommt an einer Spielhalle vorbei. Und sofort ruft er beim Getränkehändler A an und sagt ihm: „Hey, bitte liefer doch jetzt gleich einen Kasten Bier an meinen Bruder B.” Und so geschieht es auch.

Der Bruder B sagt sich dann: Das mache ich jetzt auch. Und so ruft er den nächsten Getränkehändler B an und lässt ebenfalls einen Kasten Bier an den Bruder C ausliefern. Und so geht es weiter mit den Brüdern D, E, F, …. bis plötzlich eine Riesenparty mit viel Stimmung und Aufregung in Gang ist, ein regelrechter Rausch, bei dem am Ende niemand mehr so richtig weiss, was los ist. Und danach kommt dann irgendwann der riesengroße Kater. Was hat das mit Spielsucht-Krankheit zu tun?

Abbildung 1: Was hat Spielsucht-Krankheit mit Bierkästen zu tun?

Die Brüder A, B, C, … sind die Nervenzellen im Gehirn. Davon gibt es eine riesige Anzahl. Die Getränkehändler sind die Synapsen, diese sind durch Axone (die Telefonleitungen) mit den Nervenzellen (den Brüdern) verbunden. Die Nervenzellen senden also elektrische Impulse an die Synapsen, wenn sie von außen stimuliert werden (der Spielsalon). Die Synapsen (Getränkehändler) wiederum senden chemische Impulse, bzw. chemische Substanzen aus (Bierkästen), die dann die nächste Nervenzelle erreichen und anregen, so dass eine gewaltige Kettenreaktion entsteht. Statt Bierkästen werden im Gehirn in Wirklichkeit Botenstoffe (Neurotransmitter) ausgesendet. Dies sind z.B. Dopamin, Endorphin und Serotonin, die sogenannten „Glückshormone”. In unserem Beispiel für Spielsucht als Krankheit sind die Bierkästen die Glückshormone (und bei manchem Mann haben sie ja auch die gleiche Wirkung).

Jetzt kommt aber – was Spielsucht-Krankheit angeht – etwas Interessantes dazu. Die Brüder sind nämlich faul, sitzen lieber den ganzen Tag auf der Couch und haben keine große Energie, um zum Telefonhörer zu greifen.

Abbildung 2: Spielsucht – Krankheit und Neurobiologie

Und die Getränkehändler wiederum haben schon soviel Umsatz gemacht und haben Ihren Ruhestand schon erarbeitet, so dass sie auch nicht jedes Mal die Kästen ausliefern. Das erste Mal in der Spielhalle nur mal gucken oder 5 Euro einsetzen ist ja noch interessant genug, das zweite und dritte vielleicht auch, aber danach bedarf es schon ein wenig mehr, um sich aufzuraffen und dem Bruder B über den Getränkehandler einen Kasten Bier zukommen zu lassen. Das heisst aufs Gehirn und Spielsucht Krankheit bezogen, dass die Nervenzellen und die Synapsen sich an bestimmte Reize gewöhnen und dann keine oder weniger Botenstoffe („Glückshormone”) ausschütten. Es muss schon ein bisschen mehr sein. Um die gleiche Menge „Glück” zu empfinden, müssen die Reize von außen immer mehr gesteigert werden.

Dies ist ja auch in anderen Bereichen so. Falls Du z.B. Fussballfan bist und Deine Mannschaft gewinnt plötzlich 7:0, dann ist das ja wirklich aufregend und gibt Anlass zu viel Freude. Wenn sie in der darauffolgenden Woche wieder 7:0 gewinnt, ist das immer noch unglaublich und fast genauso viel Euphorie wird empfunden. Wenn sie aber fortan jede Woche 7:0 gewinnt, gewöhnst Du Dich daran, und dann bedarf es schon eines 15:0 oder eines 7:0 trotz 5 Spielern mit roten Karten, damit Du noch einmal enthusiastisch wirst. Aber da Du nicht nur den Fußball in Deinem Leben hast, ist das kein Problem, denn Du findest ja andere Bereiche, in denen Du auch Glücksgefühle empfindest. Und außerdem bist Du dann im Vergleich zu einem Süchtigen nicht so abhängig davon, immer einen gewissen Grad an Glücksgefühlen im Körper zu haben.

Beim Süchtigen hingegen (Spielsucht als Krankheit) ist dieser gewisse Grad an Botenstoffen im Blut „gelernt” und notwendig. Gelernt wurde, dass man nur so seinen Problemen, seiner Einsamkeit und seiner fehlenden Liebe zu sich selbst entgehen kann. Wenn bestimmte Suchtreize auftreten (wir behandeln die Suchtreize später noch, aber dies können z.B. Orte sein, Tageszeiten, Leute, Bilder oder auch Gefühle wie Angst oder Leere), dann wird im Rahmen von Spielsucht und Krankheit auch sofort das Suchtgedächtnis angesprochen.

Das heisst, bei Spielsucht als Krankheit hast Du evtl. über viele Jahre gelernt, dass jetzt den Nervenzellen etwas geboten werden muss (Du musst jetzt auf die Zockerseiten im Internet, Du musst jetzt in die nächste Spielhalle, oder Du musst jetzt wieder zum Pokern), damit die wiederum den Synapsen den Befehl geben können, Botenstoffe auszusenden. Wenn das, was den Nervenzellen geboten wird, aber nicht stark genug ist, dann entstehen diese Glücksgefühle nicht, und es kommt zu Frustration. Die Menge an Botenstoffen im Blut ist bereits niedriger als Du es gewohnt bist, und jetzt kommt zusätzlich noch das Problem hinzu, dass Du auch in einer Situation, in der Du doch sonst immer für Nachschub sorgst, keine neuen Glücksgefühle produzierst. Frustration heißt dann, es gibt Entzugserscheinungen.

Entzugserscheinungen heisst, dass die Brüder immer unruhiger werden, dass sie sich beschweren, aufmucken, ihre Partys vermissen, Prügeleien beginnen und sich gegen das „System” stellen. Gesellschaftliche Unruhen sozusagen, bis dass der Nachschub doch noch kommt.

Spielsucht als Krankheit: Du könntest zwar versuchen, Deinen Spielkonsum sofort dramatisch zu reduzieren, aber das bewirkt dann diese inneren Unruhen, und früher oder später kommt dann der Aufstand, bzw. der Rückfall, und der bringt Dich dann meist in noch größere Probleme.

Der HbS-Ansatz ist ein anderer: Du wirst lernen (wenn Du das Hilfe-bei-Sucht-Komplett-Paket anforderst), mit einem gewissen Maß an Unruhe umzugehen. Die Dosis an Spielen pro Tag wird ganz langsam zurückgefahren.

Es soll vermieden werden, dass es bei den Brüdern zu sozialen Unruhen kommt, zu einem Aufstand, der dann alle guten Vorsätze wieder zunichte macht. Sei also gar nicht zu ehrgeizig. Eine Sucht kannst Du nicht einfach mit Willenskraft „besiegen”, dazu später mehr. Wenn Du zu ehrgeizig an die Sache rangehst, ignorierst Du die Gesetze Deines Körpers und Deines Gehirns. Du „brauchst” die Botenstoffe im Blut. Du kannst damit umgehen, wenn die Dosis langsam reduziert wird. Das führt zwar auch zu Spannungen in Dir, aber Du hast ja andererseits noch Deinen guten Willen, der diese langsame Reduzierung ausgleichen kann. Und erlernst im Hilfe-bei-Sucht-Komplett-Programm Strategien, wie Du Deinem Körper und Geist sinnvollen Ersatz bietest und wie Du mit diesen Spannungen umgehst.

Es wurde vorhin gesagt, sei nicht zu ehrgeizig. Genau so ist es auch gemeint. Du hast so viele Jahre lang unter Spielsucht-Krankheit gelitten, jetzt kommt es auf ein paar Wochen mehr oder weniger auch nicht an. Du hast noch Dein ganzes Leben vor Dir. Wenn Du zu radikal vorgehst und zu schnell von Deinem Spielkonsum wegkommst, dann rächt sich das schon bald. Wenn das Gehirn nicht die Stufen durchmacht von 100% Spielkonsum zu 90% zu 80% etc., dann gehen bestimmte Lernstufen verloren. Wenn Du beim Autofahren vom 5. Gang abrupt in den 1. Gang schaltest, hast Du eine gute Chance, dass sich Dein Getriebe oder Dein Motor verabschiedet.

Spielsucht-Krankheit heilen heißt, dass das Gehirn die Stufen herunter mitmachen muss. Es muss lernen, dass es auch leben kann mit 90% der vom Zocken ausgeschütteten Botenstoffe. Vor allem, wenn es von anderer Seite neue Botenstoffe bekommt. Dann 80%, dann 70% usw. Wenn das Gehirn dies lernt und merkt, dass das funktioniert und gar nicht so ein radikaler Wandel ist wie es am Anfang geglaubt hat, dann sind die Chancen viel größer, dass es bei Rückfällen nicht wieder auf 100% hochschießt und alles wieder von vorne losgeht. Denn dann sind die Stufen dazwischen ja auch gelernt, und der Rückfall bringt Dich z.B. von 40% auf nur 70%. Und Rückfälle werden kommen, da sei Dir mal sicher! Es ist auch gar nicht schlecht, sich gedanklich schon mal darüber im Klaren zu sein, denn dann ist die Enttäuschung nicht ganz so groß. Wir werden später noch ausführlich darauf eingehen.

Spielsucht-Krankheit – Tipp eines Hilfe-bei-Sucht-Nutzers:

“Ich hatte im Laufe der acht Wochen zwei Mal einen Rückfall oder Ausrutscher, einmal in der vierten und einmal in der siebten Woche. Ich hatte im Programm ja gelernt, wie man damit umgeht, wie man verhindert, dass es einen wieder völlig runterzieht, und wie man die Gründe für Rückfälle herausfindet und daraus lernt. Aber ich glaube, ohne dieses langsame Zurückschalten Woche für Woche hätte ich das nie geschafft. Der Berg wäre dann zu steil gewesen, ich wäre bestimmt wieder abgestürzt. Aber so ging es irgendwie. Es war, als hätte ich kaum Opfer bringen müssen. Selbst als ich wieder schwach wurde, hatte ich keine großen Schuldgefühle und musste mich nicht sofort wieder selbst bestrafen. Es war nicht so schwer, wieder auf das Niveau der Vorwoche zurückzufinden, ich habe mir einfach die ganzen vorher gemachten Übungen nochmal angeschaut, und dann ging es. Aber wenn ich sofort auf Null hätte umschalten müssen, dann wäre ich abgestürzt, das hätte ich nicht geschafft.”

 

Wichtig ist hier auch der Gedanke, dass Du ja Zeit brauchst, um alternative Quellen der Glückshormone zu entwickeln. Am Anfang schüttest Du ja Botenstoffe aus, weil Du enthusiastisch bist, dass Du das Hilfe-bei-Sucht-Programm gegen Deine Spielsucht-Krankheit machst und kleine Erfolgserlebnisse hast. Aber das wird irgendwann nachlassen. Du wirst also lernen müssen – und wir begleiten Dich (im kompletten Hilfe-bei-Sucht-Paket) dabei – dieses Glück von woanders zu bekommen. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Das heißt, wenn Du Deinen Spielkonsum zu schnell reduzierst, dann hast Du nicht genug ausgleichende Botenstoffe von anderen Dingen, und dann macht sich diese Spannung in Dir breit, die Dich zu einem schweren Rückfall bringt.

Was also solltest Du aus diesem Tipp mitnehmen?

  1. Es ehrt Dich, wenn Du jetzt mit ganz viel Schwung und Elan und einem Riesenehrgeiz an die Sache gehst, aber lass Dir Zeit. Es ist langfristig besser. Dein Körper kann Deinem Willen nicht so schnell folgen. Versuch niemals, sofort alle Suchtaktivitäten aus Deinem Leben zu verbannen. Das kann Dein Gehirn nicht! Das kannst Du nicht. Es geht gehirnchemisch nicht. Das hat nichts mit Deinem Charakter oder fehlender Willenskraft zu tun. Nutze einen Schritt-für-Schritt-Lösungsansatz wie das Hilfe-bei-Sucht-Programm, um Dich von Deiner Spielsucht-Krankheit zu befreien – dann klappt es auch, weil Du dann in Harmonie mit Deiner Gehirnchemie vorgehst. Ansonsten kämpfst Du einen aussichtslosen Kampf.
  2. Denk über das gerade Gelesene nach. Kannst Du schon verstehen, dass es nicht sinnvoll ist, in Scham und Schuldgedanken zu versinken, Dich schlecht zu fühlen, Dir Vorwürfe zu machen, zu denken, man sei wertlos etc.? Nicht nur, dass Du damit Deine Sucht und Spielsucht-Krankheit verstärkst. Es ist vielmehr die Biologie, es sind die chemischen Prozesse in Deinem Gehirn, die Dich das tun lassen, was Du tust. Deswegen bist Du kein schlechter Mensch. Wenn der Prozess erst einmal angelaufen ist, kommst Du da mit Willenskraft allein nicht