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Gibt es Sexsucht – eine neue Studie behauptet ‚nein‘

Seit Jahren wird in Fachkreisen darüber diskutiert:

  • Gibt es Sexsucht überhaupt? Und wenn ja, ist es eine Suchtkrankheit? Mit Betonung auf Krankheit.
  • Oder ist es eine Verhaltens- bzgl. eine Persönlichkeitsstörung?
  • Oder handelt es sich nur um eine gesteigerte Libido?

Die Symptome einer Sexsucht ähneln denen anderer Süchte. Bei der tagtäglichen Arbeit mit Betroffenen merkt man dies sofort. Die Menschen benötigen immer mehr von ihrer Droge Sex oder Porno. Sie verlieren die Kontrolle über ihr Verhalten. Ihr Verlangen wird immer stärker. Die körperliche Gesundheit wird aufs Spiel gesetzt. Soziale Kontakte inklusive Partnerschaft und Familie kommen abhanden. An Hobbies besteht kein Interesse mehr. Praktiker würden die Frage ‚Gibt es Sexsucht’ somit mit ‚ja’ beantworten.

Gibt es Sexsucht gar nicht?

Dennoch behauptet nun eine Gruppe von Studenten der Universität von Los Angeles, UCLA, dass es Sexsucht gar nicht gebe. 52 angeblich an Sexsucht leidenden Probanden wurden erotische Bilder gezeigt. Dabei wurden deren Gehirnaktivitäten gemessen. Dabei stellte sich heraus, dass die optischen Reize viel weniger Reaktionen hervorrief als es Bilder von Kokain bei Koks-Abhängigen tun.

Daraus schlossen die jungen Forscher, dass Sexsucht somit keine körperlichen Reaktionen hervorrufe. Somit gibt es Sexsucht auch nicht – schreiben sie. Allenfalls seien die Probleme auf eine gesteigerte Libido zurückzuführen. ‚Gibt es Sexsucht’ wird von ihnen also mit ‚nein’ beantwortet.

Gibt es Sexsucht gar nicht?

Gibt es Sexsucht gar nicht?

Aus verschiedenen Gründen dürften die Ergebnisse dieser Studie jedoch falsch sein. Erstens erlaubt die kleine Gruppe von lediglich 52 Probanden keine statistisch validen Schlussfolgerungen. Zweitens wurden hier nur angeblich Pornosüchtige berücksichtigt. Dies ist eine Untergruppe von Sexsüchtigen. Drittens ist fragwürdig, ob die Probanden wirklich pornosüchtig waren. Denn es wurden Teilnehmer ausgewählt, die „emotionale Probleme beim Betrachten von erotischen Bildern” hätten. Ist dies aber gleichzusetzen mit Pornosucht?

Viertens, und dies ist wohl das Hauptproblem bei dieser Studie, hinkt der Vergleich mit den Gehirnaktivitäten von Kokainsüchtigen. Kokain ist klar definiert als das weiße Pulver. Doch wie willst du als Versuchsleiter definieren, welche erotischen Bilder bzw. Pornos welchen Teilnehmer ansprechen? Das Besondere einer Sucht ist ja, dass die Dosis immer mehr gesteigert werden muss. Pornosüchtige schauen sich oft sehr extreme Bilder an. Aber jeder hat seine eigenen Präferenzen. Zeigst du einem Pornosüchtigen Bilder, die Nicht-Süchtige als provokant, scharf oder erregend empfinden, lösen diese bei einem Pornosüchtigen evtl. nur Langeweile aus. Jedenfalls keine messbaren gesteigerten Gehirnaktivitäten.

Aus all diesen genannten Gründen werden die Ergebnisse der Studie wohl falsch sein. Die Diskussion über die Klassifizierung von Sexsucht als Sucht, psychische Störung oder nur gesteigertes Sexualverlangen wird weitergehen. Aus unserer Sicht ist die Antwort auf die Frage ‚Gibt es Sexsucht’ ein ‚ja, aber’. Ja, es gibt Sexsucht, denn wir erleben dies tagtäglich. Und die Menschen leiden wirklich oft sehr stark, wenn sie eine Therapie gegen Sexsucht beginnen. Aber nicht jeder, der fremdgeht oder oft daran denkt, ist sexsüchtig. Und nicht jeder, der immer wieder mal Pornos schaut, ist pornosüchtig.