Behandlung gegen Essstörungen – Aus der Sicht eines Therapeuten
Viele Menschen mit Esssucht schämen sich, zu einem Therapeuten zu gehen. Manche sind einfach nur zu bequem, zu einer Beratungsstelle zu gehen, aber ein Großteil der Betroffenen schämt sich wirklich. Bei unserem Hilfe-bei-Sucht-Programm ist das etwas unkomplizierter, da du es ja alleine durcharbeitest und niemand von deinen Problemen erzählen musst. Aber so oder so bleibt da ein gewisses Schamgefühl. Aus der Sicht des Therapeuten sieht das Ganze etwas anders aus:
Du musst dir das so vorstellen, dass Therapeuten ja auch nur einen Job machen. Sie sind ausgebildet dafür, Menschen mit Essstörungen zu helfen. Sie machen das sicherlich den Großteil der Zeit mit Herzblut, aus Überzeugung und meist auch mit Freude. Aber nichtsdestotrotz ist es natürlich immer noch ein Job. So wie andere in der Bank am Schalter sitzen oder im Kaufhaus an der Kasse oder im Büro des Steuerberaters. Und dort tagtäglich das Gleiche tun, fünf Tage die Woche.
Letztendlich ist es für Therapeuten ähnlich. Klar, jede Person mit Esssucht denkt, sie sei ganz allein mit dem Problem und ihre Situation sei ganz speziell.
Wenn du dir aber dann einmal klar machst, dass es Hunderttausende Menschen mit Essstörungen im deutschsprachigen Raum gibt, dann wird dir vielleicht auch klar, dass man als Therapeut jeden Tag immer wieder die gleichen oder doch sehr ähnliche Geschichten zu hören bekommt, bzw. hier im Selbsthilfeprogramm, zu lesen bekommt. Bei Hunderttausenden von Betroffenen wiederholen sich die Probleme immer wieder, unter denen die Leute leiden. Dein Problem erscheint dir bestimmt ganz einzigartig, aber wahrscheinlich gibt es noch viele Menschen, die in einer ganz ähnlichen Situation stecken.
Für die Therapeuten ist es dann auch meist relativ einfach, die richtigen Tipps und Empfehlungen zu geben. 80% sind immer gleich und passen zu fast allen Betroffenen. Der Rest ist dann wirklich jedes Mal anders.
Es gibt bestimmte Dinge, die einfach fast jeder von Esssucht Betroffene tun muss, um von der Sucht wegzukommen. Die kann man fast schon blind empfehlen und bekommt dann in den Folgewochen und Folge-Emails meist ein Danke, das hat mir schon einmal sehr geholfen, zu hören.
Andere Dinge sind dann schon sehr speziell, deshalb muss man die Fragen und beschriebenen Situationen, in denen die Patienten stecken, auf jeden Fall sehr ernst nehmen.
Aber es ist trotzdem nur ein Job. Du darfst dir das nicht so vorstellen, dass man als Therapeut noch über irgendetwas überrascht ist oder sich gar ein Urteil über jemanden bildet. Man hat schon so viel erlebt, so viel gehört oder gelesen, da kann einen nichts mehr erschüttern.
Genauso ist es auch, wenn du zu einem Therapeuten in die Praxis gehst. Der oder die Therapeutin macht ja den ganzen Tag nichts anderes, als Menschen wie dir, mit Esssucht, Bulimie oder Magersucht zu helfen. Du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen: was wird der oder die jetzt von mir den denken? Der oder die denkt meist gar nichts über dich als Person, sondern überlegt einfach, wie er oder sie dir jetzt am besten helfen kann. Ohne dich zu verurteilen. Eine Esssucht ist ein Problem, logisch, aber das kann man lösen, und es ist oft gar nicht so schwer und du stehst wirklich nicht alleine mit deiner Sucht.