Alkoholentzug und Abstinenz – Alkoholiker können auch weniger trinken
Alkoholentzug und dauerhafte Abstinenz, das ist wohl das, was man sich meist vorstellt, wenn man an Alkoholiker denkt, die ihre Probleme loswerden wollen. Alkoholentzug heißt meist in einer Entzugsklinik, unter ärztlicher Aufsicht, eventuell durch Medikamente unterstützt, Aufenthaltsdauer mindestens sechs Tage, und danach dann Therapie und dauerhafte Abstinenz, das heißt, nie wieder etwas trinken, also Null Alkohol.
In der Praxis scheitern daran übrigens 90% aller Patienten innerhalb des ersten Jahres und nicht einmal jeder zehnte Alkoholiker beginnt überhaupt eine Alkoholtherapie.
Alkoholentzug und dauerhafte Abstinenz ist sicherlich auch bei denjenigen Alkoholikern richtig, die wirklich körperlich alkoholabhängig sind. Wer über Jahre hinweg jeden Tag Unmengen an Alkohol getrunken hat, hat die Grenze zur körperlichen Abhängigkeit wahrscheinlich längst überschritten. Meist zeigen sich dann auch körperliche Anzeichen wie die berühmte rote Nase, das Händezittern schon am Morgen, Blutdruckschwankungen, extreme Stimmungsschwankungen bei fehlendem Alkohol und Ähnliches.
Bei körperlicher Abhängigkeit ist ein Alkoholentzug und danach Abstinenz vom Alkohol leider nicht zu vermeiden. Du solltest dann zunächst einmal Deinen Hausarzt aufsuchen und Dich über Therapiemöglichkeiten beraten lassen.
Anders sieht der Fall aber bei den ca. 8 Millionen Menschen mit Alkoholproblemen aus, die noch nicht körperlich alkoholabhängig sind. Man trinkt zwar regelmäßig zu viel, es sind aber noch keine körperlichen Abhängigkeitsmerkmale vorhanden. Wenn so jemand in Deutschland, Österreich oder der Schweiz eine Alkoholtherapie machen will, dann wird ihm oder ihr automatisch ebenfalls ein Alkoholentzug und totale Abstinenz verschrieben.
Instinktiv weiß man dann aber, dass man eigentlich sehr wohl noch ab und zu Alkohol trinken könnte, wenn man nur wüsste, wie man es anstellt, sich nicht immer wieder zu besaufen. Nie wieder trinken zu dürfen, als totale Abstinenz vom Alkohol, erscheint (zurecht) übertrieben, man akzeptiert es innerlich nicht, stellt sich dann früher oder später auf die Probe und scheitert, weil man nicht gelernt hat, weniger zu trinken, sondern nur, völlig abstinent zu bleiben.
Das ist schade, denn weniger trinken kann man sehr wohl lernen und in den USA, Australien und anderen Ländern hat man längst erkannt, dass dies erfolgsversprechender ist als immer nur einen totalen Alkoholentzug vorzuschreiben. Viele Alkoholiker versuchen auch erst gar keine Behandlung, weil sie die Aussicht auf totale Abstinenz abschreckt. Stattdessen leiden sie, trinken weiterhin zu viel und erreichen irgendwann wirklich die Schwelle zur körperlichen Alkoholabhängigkeit.
Das Hilfe-bei-Sucht-Programm ist eines der wenigen im deutschsprachigen Raum, die das international schon bewährte Konzept des weniger-trinken-Lernens (Spiegel Online berichtete) bereits anwendet. Hier setzen sich die Teilnehmer ihr Ziel, wie viel sie in Zukunft maximal noch trinken wollen und erreichen es dann innerhalb von acht Wochen. Es ist ein Selbsthilfeprogramm, bei dem man sich die Unterlagen aus dem Internet herunterlädt und somit anonym bleiben kann. Darüber hinaus gibt es auch die Variante mit persönlicher Betreuung per E-Mail. So oder so muss es jedenfalls nicht immer totaler Alkoholentzug mit kompletter Abstinenz sein.