Alkoholentzug, Rückfälle, Peinlichkeiten – wie sieht das eigentlich ein Therapeut
Seien wir mal ehrlich. Als Alkoholiker oder Alkoholikerin fühlst du dich oft als Loser, als Verlierertyp. Auch wenn du das meist nicht zugibst. Aber innerlich fühlen die meisten so. Wenn du dir dann noch vorstellst, jetzt zu einer Alkoholiker Beratung oder zu einem Therapeuten gehen zu müssen und dich dort zu präsentieren, dann erscheint das noch trostloser und demütigend.
Aber wie sieht es denn auf der anderen Seite des Schreibtisches aus? Wie musst du dir die Gedankengänge und Arbeit eines Therapeuten vorstellen? Plaudern wir also mal ein bisschen aus dem Nähkästchen.
Als Therapeuten machen wir letztendlich auch nur unsere Arbeit. So wie ein Friseur den ganzen Tag lang die Haare schneidet und nicht mehr groß überrascht ist, wenn jemand mit vielen oder wenigen Haaren kommt, mit Wirbeln, mit roten oder blauen Haaren. Alles schon mal dagewesen.
Oder die Buchhalterin in der Firma, die den ganzen Tag lang mit Zahlen, Tabellen und Excel jongliert und für die das ganz normal ist. So ist das auch – zumindest überwiegend – auch für Therapeuten.
Alkoholprobleme, gescheiterte Ehen, Komasaufen, abgebrochene Entzüge, Rückfälle, gleichzeitiger Drogenkonsum – alles schon dagewesen, und nicht nur einmal, sondern hundertmal.
Wenn du nun zu einem Therapeuten kommst, dann ist das für den Therapeuten in der Praxis oder Entzugsklinik nichts besonderes. Therapeuten sehen dich nicht als gescheiterten Menschen. Therapeuten hatten schon mit Hunderten oder Tausenden von Menschen mit ähnlichen Problemen zu tun. Du brauchst dich nicht zu schämen. Therapeuten denken nicht einmal in solchen Dimensionen. Unser Job – ja, es ist ein Job und irgendwann abends schalten wir dann auch ab – ist es, dir zu helfen, und das tun wir so gut wie wir können.
Klar, du fühlst dich wahrscheinlich als Einzelfall mit einem ganz besonderen Hintergrund und ganz eigenen Problemen und ganz eigenen Gründen, warum du Probleme mit dem Alkohol hast.
Und das bist du natürlich auch. Ein Einzelfall.
Trotzdem aber sind ungefähr 80% der Lösungen für alle Alkoholprobleme die gleichen, und fast jeder sollte genau diese Lösungen auch anwenden.
Deswegen werden wir auch 80% der Lösungen auch immer wieder genau so empfehlen, so wie ein Friseur auch 80% der Schnitte oder Kolorationen immer wieder gleich macht.
Die Kunst liegt dann in den letzten 20%. Aber wie gesagt: Therapeuten sehen dich nicht als gescheiterten Menschen, sondern als ein Mensch von MILLIONEN im deutschsprachigen Raum, die alle sehr ähnliche Probleme mit dem Alkohol haben und denen man durchaus helfen kann. Wieso also an Scheitern denken, wenn so viele Betroffene den Weg wieder hinausfinden.